Laid-Back Camp: Season 2 (Anime) (2024)

Eigentlich weiß ich gar nicht so recht, was ich über diese Serie schreiben soll, was andere bislang nicht schon in aller Ausführlichkeit und auf sehr beeindruckende Weise geschildert haben. Also mal schauen, was daraus wird.

Natürlich will man kein zweites »Non Non Biyori«, aber es bleibt der Eindruck, man traue den eigenen Fähigkeiten nicht so recht übern Weg. Der ruhige Erzählfluss über entspannende Momente in stiller Abgeschiedenheit wird also aufgebrochen mit dieser typischen überdrehten Comedy, die auch noch sehr "Manga-ppoi" ist, und außerdem wird dadurch die Gefahr gebannt, daß stille Abgeschiedenheit und entspannende Momente recht schnell in Chaos, Feten oder in ein heillos überladenes Freizeitprogramm münden.

Natürlich nur, solange Handy-Empfang gesichert ist. Denn das ist nicht nur die Nabelschnur zur Welt, sondern auch ein tragender Grundpfeiler der eigenen Existenz. Zugegeben, es kann Leben retten und einen in verzwickten Situationen helfen; aber dennoch schade, daß die Mädels nicht auch mal ganz allein ausbaden müssen, was sie sich in teilweise unbedarfter Leichtsinnigkeit da eingebrockt haben. Grundlagen, Watson, Grundlagen! Wie bei Rins erstem Campingversuch sehr beispielhaft klar wird. Ein Zelt alleine aufzubauen ist schon eine Herausforderung für sich, und sei's nur im heimischen Wohnzimmer; beim Thema Heringe stellt sich dann sehr schnell heraus, daß die handelsüblichen Versionen nix taugen. BTDT. Da nimmt man besser diese sturmsicheren Exemplare, die ausschauen wie Zimmermannsnägel mit einer Art Öse. Feuer machen ist auch so ein leidiges Thema, bei dem man sich wundert, wie unbedarft manche Leute an die Sache rangehen.

Hat man den ersten CGI-Schock überwunden, darf man sich auch schon mit dem nächsten Haar in der Suppe anfreunden: den Hintergründen, die für meinen Geschmack einen Tick zu fotorealistisch geraten sind, also ähnlich wie in Hakubo. Die Gefahr dabei ist, daß die Diskrepanz zwischen realitätsnahen Hintergründen und eingefügten Personen und Gegenständen zu groß wird. Man wandelt da permanent an einer kritischen Grenze, überschreitet sie aber nicht. Zum Glück. Was das CGI angeht, bleibt es größtenteils auf Fahrzeuge beschränkt, die dann so freundlich sind, meist mit konstanter Geschwindigkeit rumzugondeln. Das erspart einem als Zuschauer die Tabletten gegen Seekrankheit. Außerdem scheint man diese Sache wesentlich besser in den Griff bekommen zu haben als noch in der ersten Staffel.

Wer meint, bei »Yuru Camp« ginge es ums Campen und ähnliche Freizeitvergnügungen, sollte sich keine zu großen Hoffnungen machen. Bei diesem Anime geht es in erster Linie ums Essen. Kulinarische Spezialitäten der einzelnen Orte und Regionen werden akribisch ausgekundschaftet, einverleibt und nachgekocht. Kein Wunder, daß die Mädchen hier erst monatelang jobben gehen müssen, um das finanziell zu stemmen. Auch wenn die Erwachsenen da, mehr oder weniger heimlich, was zuschustern.

Der zweite erstaunliche Fakt, der einem bei »Yuru Camp« vermittelt wird, und zwar über alle Folgen hinweg, ist die Erkenntnis, daß es im Winter kalt ist. Und wenn es kalt ist und man nur im Zelt (oder davor) hockt, friert man. Und wenn man friert? – Damit sind wir beim nächsten großen Thema dieser Serie: man geht ins Onsen! Oft! Die größte Überraschung dabei ist: bei völligem Verzicht auf Ecchi und auf entsprechende Anspielungen. Chapeau!

Das vielleicht letzte große Thema, das der Anime thematisiert, betrifft die generalstabsmäßige Vorbereitung dieser waghalsigen Unternehmungen. Hieß es zu meiner Zeit noch "Pack deinen Pass, wir fahren in 10 Minuten nach Griechenland!", will man der gefährlich zivilisationsfernen Natur doch nicht so recht über den Weg trauen. Denn so furchtbar naturverbunden ist das ja nun auch wieder nicht, wenn ohne Smartphone rein garnix geht. Nicht nur organisatorisch, sondern auch fürs abendliche Freizeitvergnügen (Filme kucken). Andererseits ist es ja auch so, daß der Schwerpunkt dieser Staffel – vielleicht abgesehen vom abschließenden Izu-Arc – nicht so sehr auf der entspannenden Natur liegt, sondern eher auf den entspannten Charakteren.

An dieser Stelle sollte auch mal erwähnt werden, was für mich die größte Überraschung war. Nämlich die Übersetzung von Crunchyroll. Selten wörtlich, doch immer den Sinn der Aussage im Blick. Schönes Beispiel die Antwort auf eine Einladung, wo "o-sewa ni narimasu" mit "da sage ich nicht nein" wiedergegeben wird. Auch wird Ton und Ausdruck immer gut getroffen – bis auf sehr wenige Ausnahmen, wo ich ein Siezen vorgezogen hätte.

Zu den Charakteren und ihrem Zusammenspiel ist vielleicht noch zu sagen, daß lichte Momente neben unsäglichen Albernheiten stehen. Wie eingangs erwähnt, treibt die Comedy sehr mangahafte Blüten, und in welche Richtung das geht, illustriert sehr schön das Opening. Auf welchem Level sich der Humor austoben will, zeigt auch der Einsatz des unermüdlichen Erklärbärs, der dem Zuschauer technische Einzelheiten und organisatorische Kniffe näherbringt, aber auch öfters mal launige Kommentare im Stil eines Fremdenführers einstreut.

Hauptattraktion dieses Animes ist aber zweifellos die stille Rin.

Sie ist für »Yuru Camp« in etwa das, was Renge für »Non Non Biyori« ist. Rin pflegt einen etwas eigenwilligen Stil, dazu passt ihre mindestens so eigenwillige Haartracht, wenn sie ihre Mähne hochgeknotet hat. So wirkt sie immer ein wenig wie ihre eigene Großmutter. (Und meine Güte, diese Füße!! Hach.) Sie erscheint auf leicht exzentrische Weise eigenbrötlerisch, aber ohne daß das als Manko oder gar als soziophob angesehen würde. In Nadeshiko hat sie eine Seelenverwandte gefunden, deren Persönlichkeit lustigerweise ziemlich entgegengesetzt ist.

Inwieweit da Absicht im Spiel ist, vermag ich nicht einzuschätzen, aber: auffällig oft gelingt es dem Anime, schöne Gegensätze ins Bild zu setzen, nicht nur diese ohne weitere Worte inszenierte Diskrepanz zwischen neuzeitlicher Architektur und Naturlandschaft, sondern auch die zwischen Wunsch und Realität, das Aufeinanderprallen von Idealismus und harter Wirklichkeit – wie beim ersten Campingversuch von Rin.

Da es hier keine Antagonisten gibt, bleibt es Aufgabe der Musik, die Schönheit der Landschaft und die Ruhe des entspannten Camping-Lebens mit gezielter Hässlichkeit zu kontern. Indem man sich leider mal wieder an amerikanischen Vorbildern orientiert. Insbesondere Country mit viel Banjo und Saloon-Klavier. Mal scheint ein wenig die Fanfare aus »Chihayafuru« durch, mal auch "Im Grunewald ist Holzauktion".

Was diese Staffel trotz all der angeprangerten Unzulänglichkeiten doch sehr sehenswert macht, ist vor allem die große Realitätsnähe, gerade im Umfeld der Charaktere. Und auch bei so manchen netten Details, wenn z.B. der Campinggrill als Schreinopferkasten missbraucht wird oder Rin erstmal vier-, fünfmal am Karton rumprokeln muss, bis das Klebeband aufgeht. Da fühlt man richtig mit! Aber auch, daß sie die Angewohnheit hat, mit dem Handy im Querformat zu fotografieren – allein das macht sie einem schon sympathisch.

Im Vergleich zur ersten Staffel erfährt man hier recht wenig zum Schul- und Familienleben, dafür entsprechend mehr über die Vorbereitungen für diverse Unternehmungen, gern auch parallel erzählt. Und übers Essen natürlich. Ach ja, Splatter-Warnung: Im Zuge der Essenszubereitung hat man auch an die Metzel-Freunde gedacht, denn es wird durchaus mal ein Aal in aller Ausführlichkeit geschlachtet, indem man (vermutlich bei lebendigem Leibe) den Kopf auf ein Brett nagelt, die Haut abzieht, ihn aufschneidet und das entfernt, was man nicht haben möchte. Nicht nur die Fischgerichte, die hier (wie üblich in RL-Locations) vorgestellt werden, sind durchweg gesalzen, die Preise sind es auch.

Den bleibendsten Eindruck jedoch hinterlässt meiner Meinung nach nicht das ganze Campen, Essen und Onsen, sondern das Durchstreifen zeitlos schöner Natur, wo Zivilisation sich harmonisch einfügt und für undramatische, aber dennoch atemberaubende Momente sorgt.

Beitrag wurde zuletzt am 13.03.2024 20:38 geändert.

Laid-Back Camp: Season 2 (Anime) (2024)
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Author: Greg Kuvalis

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